Berliner Polizei setzte Maßnahme offenbar ohne Gerichtsvollzieher durch

von Claudia Wrobel
Entnommen aus »junge welt«

Ein Aufkleber auf einem Polizeitransporter, der am Freitag morgen die Wissmannstraße in Berlin-Neukölln versperrte, warb für Nachbarschaftshilfe zum Schutz vor Wohnungseinbrüchen. Die Art von Hilfe, die Nachbarn dort an diesem Tag praktizierten, wurde allerdings von den Beamten unterbunden. In dem Haus mit der Nummer zehn sollte ein Mieter auf die Straße gesetzt werden. Dagegen formierte sich Widerstand: Anwohner hatten Transparente aus den Fenstern gehängt und Aktivisten versuchten, den Hauseingang zu blockieren, um der angekündigten Gerichtsvollzieherin den Weg zu versperren.

 

Nach Angaben der Initiative »Zwangsräumung verhindern« konnte der Mieter zeitweise seine Miete nicht rechtzeitig bezahlen, da das Jobcenter Sanktionen gegen ihn verhängt hatte. Diese Schulden habe er umgehend beglichen, so daß sein Mietkonto zeitnah ausgeglichen war. Durch ein Versäumnisurteil sei dann die Kündigung der Wohnung erfolgt. Der Mieter sei nach der Räumung obdachlos.

Rund 25 Aktivisten und Nachbarn versperrten ab etwa 6.30 Uhr den Innenhof, um den direkten Zugang zur Wohnung zu versperren. Nach einer guten Stunde wurde die Blockade von der Polizei aufgelöst. Außerdem riegelten die Beamten die Straße auf beiden Seiten des Wohnhauses komplett ab. Selbst Anwohner oder Passanten auf dem Weg zur Arbeit wurden nicht mehr durchgelassen. Auch die Hauseingänge der Parallelstraße wurden von Einsatzkräften bewacht, um zu verhindern, daß Personen über die verbundenen Hinterhöfe zur Wohnung gelangen konnten. Bis neun Uhr versammelten sich rund 250 Menschen auf beiden Seiten der Polizeiabsperrung. Ziel war noch immer, die Gerichtsvollzieherin am Zugang zu hindern. Als das Polizeiauto mit ihr gegen 9.30 Uhr in die Straße einbog, wurde das Fahrzeug umgehend von Aktivisten umzingelt – eine Sitzblockade hinderte die Beamten an der Weiterfahrt.

Nach Angaben des Mieters, der seine Wohnung verlassen mußte, fand die Räumung statt, während die Gerichtsvollzieherin im Auto festsaß. David Schuster, einer der Pressesprecher des Bündnisses »Zwangsräumung verhindern«, hatte mit ihm gesprochen und schilderte junge Welt, daß Polizisten die Wohnung betreten und die Zwangsmaßnahme im Alleingang durchgeführt hätten. René Rodemann, Sprecher der Berliner Polizei, bestätigte auf Nachfrage von jW lediglich, daß die Räumung stattgefunden habe. Er machte keine Angaben, ob eine Vollstreckungsbeamtin anwesend war: »Dazu liegen uns keine Informationen vor.«

Im Anschluß an die Räumung zogen die Blockierer in einer Spontandemonstration in Richtung Kreuzberg. Diese wurde von der Polizei nach einigen hundert Metern mit Gewalt gestoppt. Die Beamten schubsten Menschen aus dem Weg, setzten Pfefferspray ein, warfen einzelne zu Boden und knieten sich auf sie. Mindestens fünf Demonstranten wurden von Beamten abgeführt. Zu eventuellen Ingewahrsamnahmen lägen »keine Informationen vor«, hieß es von der Polizei.