Experten beerdigen Volksentscheid

Quelle: Berliner Anstoss 02/2022

Das von den drei Senatsparteien ersonnene Vehikel für die Beerdigung des Volksentscheidergebnisses vom 26. September vergangenen Jahres ist jene Expertenkommission, die der Landesregierung eine Empfehlung über »Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen« der Vergesellschaftung der Bestände großer profitorientierter Wohnungsunternehmen unterbreiten soll. Die SPD macht sich dabei nicht einmal die Mühe, so zu tun, als suche sie nach diesen »Möglichkeiten« – sie hat drei CDU-nahe Juristen in die Kommission geschickt. Die spannende Frage war, ob sich die Initiative »Deutsche Wohnen & Co. Enteignen« an dieser Kommission beteiligt. Nach außen hin hatten deren Sprecher das bis zuletzt offengelassen.

Die politische Einsicht sprach gegen das Mitmachen: Beteiligt sie sich, dann wird die Initiative von der Straße geholt und haftet mit für die Ergebnisse der Senatspolitik, deren Spielregeln sie akzeptiert hat. Die Mieterund Enteignungsbewegung wird auf diese Weise elegant demobilisiert, denn ihre »Vertreter« sitzen ja mit am Tisch bei den Verhandlungen über die »Umsetzung« des Volksentscheids, die bis 2023 dauern werden. Außerdem stärkt eine solche Kollaboration den rechten Flügel im Berliner Landesverband der Linkspartei, der zuletzt intern unter Druck geraten war – insbesondere wegen des Umgangs mit dem Ergebnis des Volksentscheids.
Kurz vor Ostern hat die Initiative beschlossen, dennoch drei eigene Vertreter in die Kommission zu entsenden – dem Vernehmen nach »mit großer Mehrheit«. Die von der Initiative genannten Gründe für dieses Aufspringen auf den Leichenwagen des Volksentscheids überzeugen nicht. Das weiß man dort offenbar, denn in der einschlägigen Pressemitteilung heißt es: »Die Initiative stellt klar, dass sie den Druck auf die Landesregierung aufrechterhält.« Wie genau, bleibt unklar. Die Vertreter der Volksentscheidinitiative kritisieren die Linkspartei öffentlich, machen aber am Ende genau das, was deren Senatorinnen und Senatoren dabei hilft, weiter in ihren Sesseln zu bleiben. Vorerst offen bleibt, ob das auf Kalkül oder Naivität zurückzuführen ist. (jt)