Keine Chance für die Schiene

Quelle: Berliner Anstoss 02/2022

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, ob nicht einmal Schluss sein wird mit dem fortwährenden Neu- oder Ausbau von Autobahnen und Autobahnkreuzen, von kreuzungsfreien Bundesstraßen und Ortsumgehungen, Abfahrten, Zufahrten und Zubringerstraßen; sich gefragt, wie dicht das Netz von Asphaltbändern noch wird, das Städte, Siedlungs- und Naturräume zerschneidet und zerstückelt?
Wer Gründe dafür sucht, der wird im »Bundesverkehrswegeplan 2030« (BVWP) aus dem Jahr 2015 fündig. Gleich doppelt (hält besser) findet sich dort folgende Passage: »Als Exportnation, als Hochtechnologie- und Transitland ist Deutschland auf einen reibungslos funktionierenden Personen- und Güterverkehr zwingend angewiesen – denn Mobilität ist ein Standortfaktor erster Güte. Nur wenn wir Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft ein leistungsfähiges Verkehrssystem bereitstellen, sind die Chancen des Fortschritts und der Globalisierung mittel- und langfristig für uns nutzbar.

Moderne Mobilität ist Voraussetzung für eine moderne Gesellschaft, für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Wohlstand.« Als »zentrales Anliegen« wird im BVWP »die Sicherstellung von Mobilität im Personenverkehr und der Güterversorgung sowie die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Deutschland« bezeichnet.
Keine Chance für die Schiene, besonders was den Waren- und Gütertransport angeht? Nein, nicht ernsthaft. Mit der räumlichen und zeitlichen Flexibilität des Güterverkehrs per LKW kann die Bahn nicht mithalten (außer bei großen Mengentransporten wie von Kohle, Benzin, Baustoffen). Denn größtmögliche Effizienz, also Produktionskosten, die so gering wie möglich sind, bringen auf dem Weltmarkt am Ende einen Kostenvorteil. Der Zwang der weltweiten kapitalistischen Konkurrenz durchzieht längst alle Lebensbereiche und bestimmt somit auch die nationale Verkehrspolitik. Der BVWP prognostiziert für das Jahr 2030 gegenüber 2010 ein Wachstum des Gütertransports um 46,1 Milliarden Tonnenkilometer auf der Schiene und auf der Straße um 170,1 Milliarden. Beim Personenverkehr wird die Schere zwischen Individualverkehr und Eisenbahn (plus ÖPNV) sogar noch ein gutes Stück weiter auseinandergehen.
Das Bundesverkehrsministerium will dafür sorgen, dass die Prognose in Erfüllung geht, denn: »Mit dem Bundesverkehrswegeplan 2030 bleiben wir das Mobilitätsland Nr.1.« (jst)